#SonS2019: "So mussten wir auf Science on Stage warten, um uns kennenzulernen"
31. Oktober 2019, ein Donnerstag, es geht los, um 11.00 Uhr öffnet das Congress Center, der Aufbau kann beginnen. Der Koffer ist schwer, das Zentrum noch leer, die Stände gleichförmig, kahl, alles etwas steril. Allmählich wird es voller, es scheppert, Plakate werden entrollt, man leiht sich eine Schere vom Stand gegenüber, kommt ins Gespräch, es läuft.
Am Nachmittag kurz vor der Eröffnung, ich stehe auf der Empore im ersten Stock. „Mein Gott, hat sich das Bild geändert", denke ich mir, "Wahnsinn von hier oben, da vorne die Iren in ihren grünen Polohemden, etwas am Rande die Oranje Truppe, die Schweizer tragen ihr Kreuz auf dem Rücken, da die Truppe mit den Folkloreblusen, woher die wohl kommen? Die Norweger erkennt man an den Girlanden in den Nationalfarben, überall Fähnchen, da die Kanadier, auch die Briten sind noch dabei. Aber wo sind die deutschen Kolleginnen und Kollegen? Und wieso sieht man eigentlich keine deutsche Fahne?“
Biologie trifft Physik
Mein Standnachbar ist Sean Kelleher. Er unterrichtet seit 16 Jahren Mathematik, Technik/Physik und manchmal auch etwas Chemie in Irland. Sean ist nett und lacht immer.
Er hat eine Fülle von Experimenten aufgebaut, die ich auf den ersten Blick nicht verstehe und auch das Plakat „ Modelling density und pressure through particel theory“ sagt mir recht wenig. Neben mir also ein Physiker, gegenüber ein Mathematiker und auf den anderen Seite ein Chemiker, interdisziplinär, eigentlich geschickt gemacht.
Drei Tage Messe sind lang, da kommt man ins Gespräch und kann sich an den Dialekt von Sean gewöhnen. Der Funke springt über, als ich unter allen aufgebauten Experimenten sein Osmose-Modell sehe. Low cost natürlich, ich zeige ihm ein Foto von meinem Modell, dass ich immer benutze, erkläre, wir reden und reden und das Verstehen fällt nicht mehr schwer. Im Laufe der Tage entdecken wir mehr und mehr Modelle, die die Physik und die Biologie nutzen, jedes Fach in seiner abgewandelten Form. Vielleicht kann man da ein Joint Project machen.
Parallele Leben
Es gibt wenige Biologielehrkräfte auf dem Festival, die Physik dominiert eindeutig, von daher schaut man sich als Biologin gerne die Stände der Anderen an. Zuerst taucht Ingeborg auf, sie kommt aus den Niederlanden, ich zeige ihr meine Experimente und sie lädt mich ein, zu einer Simulation an ihren Stand zu kommen. „Embodied Simulations“, so heißt ihr Projekt. Simpel und eindrucksvoll, da werden mit Legosteinen Chromosomen nachgebaut, die Meiose demonstriert, Glucose in der Glykolyse abgebaut, ja da kann man etwas mit anfangen.
Ingeborg und ich haben uns noch nie vorher im Leben gesehen. Wir haben etwa das gleiche Alter, unterrichten schon Jahrzehnte, sie eigentlich nur Oberstufe, ich auch, sie arbeitet zusätzlich in der Lehrerfortbildung, ich auch. Sie unterrichtet etwa 40 km von meiner Schule entfernt, geht in Bocholt (D) einkaufen, ich fahre von Burlo nach Winterswjk (Nl) zum Einkaufen, sie ist von Weeze (D) nach Portugal geflogen, ich von Eindhoven (Nl).
Wir sinnieren, was wäre gewesen, wenn es die Grenze nicht gegeben hätte, ja dann wären wir uns wahrscheinlich oft auf diversen Fortbildungen begegnet, hätten gemeinsame Projekte aus dem Boden gestampft. Wer weiß? So mussten wir beide auf Science on Stage warten, um uns kennenzulernen. Ich habe Ingeborg eingeladen, mal auf einen Kaffee in Mariengarden vorbeizukommen.
Wir haben Teilnehmerinnen und Teilnehmer der deutschen Delegation dieses Jahr darum gebeten, einen Bericht über ihre Erlebnisse auf dem Europäischen Science on Stage Festival zu verfassen. Sie lasen den Erfahrungsbericht von Ulrike Hölting, Lehrerin am Gymnasium Mariengarden in Borken-Burlo, Nordrhein-Westfalen. Sie möchten auch einmal an einem Festival teilnehmen? Das nächste Nationale Science on Stage Festival findet vom 13.-15. November 2020 an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe statt. Hier erhalten Sie alle Informationen dazu!
Fotos: Dana Barthel
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